von Andreas Grünberg
Am 2. Juli 2002 wurde der Verband der deutschen Film- und Fernsehdramaturgen, Kurzform VEDRA, auf dem Münchner Filmfest gegründet. Und zwar von einer breiten Initiative von Dramaturgen, Script Consultants, Lektoren, Producern und weiteren Menschen, die im weit gefächerten Development-Bereich professionell arbeiten. Seit der Gründung sind bereits zahlreiche neue Mitglieder hinzugekommen. Die Gründung ist auch bereits auf positive Resonanz in der Branche - zum Beispiel bei einigen Filmförderungen - gestoßen
Warum also ein Dramaturgenverband? Schon die Gründung läßt darauf schließen, daß die Initiatoren hiermit auf Defizite im Bereich Development reagieren wollen, hier Handlungsbedarf sehen. Und der Mitgliederzuwachs deutet an, daß nicht nur die Ini-tiatoren diese Defizite sehen und etwas dagegen unternehmen wollen.
Defizit 1: Es mangelt an „guten“ Drehbüchern. Sowohl Politik, wie Förderer, Produzenten, Drehbuchautoren und Verleiher haben die Defizite im Bereich der Drehbuchentwicklung inzwischen erkannt. Allerdings muß man hier differenzieren. Natürlich findet auch bei uns längst Drehbuchentwicklung statt, ist diese längst Teamarbeit. Besonders bei der Entwicklung von Serien-Drehbüchern wird hier längst – wie in anderen Ländern auch - industriell gearbeitet. Teams aus Inhouse-Producern und –Dramaturgen entwickeln zusammen mit der Redaktion und dem Autor auch TV-Movies, basierend auf internen und/oder externen Lektoraten. Bisweilen werden auch weitere externe Berater oder Dramaturgen hinzu gezogen.
Im Unterschied zu anderen Filmländern ist es in Deutschland aber paradoxerweise so, daß ausgerechnet beim international prestigeträchtigsten und potentiell profitabelsten Format „Kinofilm“ am wenigsten in die Drehbuchentwicklung investiert wird. Nicht von ungefähr gilt der deutsche Kinofilm seit Jahren als Sorgenkind, ist er kaum auf internationalen Festivals präsent.
Neben der Bereitschaft, mehr Geld und Zeit in die Entwicklung von Kino-Drehbüchern zu investieren, bedarf es aber auch eines neuen Konzepts, das die Rahmenbedingungen für erfolgreiche Drehbucharbeit schafft. Wie die Drehbuchstudie des Kunstsalons - erstellt von Arne Birkenstock im Auftrag der Staatskanzlei von Nordrhein-Westfalen - belegt, ist die derzeitige Drehbuchförderung in Deutschland weitgehend ineffektiv, vor allem, weil es an Beratungs- und Vermittlungsmöglichkeiten mangelt.
Eine Reform der Drehbuchförderung könnte sich am Development Fund des Film Council orientieren, der in Großbritannien vor zwei Jahren ins Leben gerufen und mit äußerst positiver Resonanz von der britischen Filmindustrie aufgenommen wurde. Der Development Fund unterstützt Produzenten und Autoren nicht nur finanziell bei der Entwicklung von Stoffen, sondern bietet auch eine engmaschige qualifizierte Beratung über den gesamten Development-Prozeß hin an.
Eine Reform der Drehbuchförderung wird auch in Deutschland bereits diskutiert, so 2001 im Rahmen des Bündnisses für den Film unter Federführung des ehemaligen Bundeskulturministers Julian Nida-Rümelin am „Runden Tisch Drehbuch“ oder in der Drehbuchstudie von Arne Birkenstock. Er schlägt – analog zum britischen Development Fund - die Einrichtung eines sogenannten Development-Centers vor.
Hierzu wie zu anderen filmpolitischen Fragen wird VEDRA Stellung beziehen, Konzepte entwickeln, Vorschläge machen. VEDRA will aber auch eine Bühne bilden für interne Diskussion, für divergierende Meinungen, um so zu einem klaren Meinungsbild zu gelangen und die Kräfte zu bündeln.
Damit ist Defizit 2 angesprochen: Eine solche Bühne zum Meinungsaustausch über fachliche und fachpolitische Fragen oder berufsständische Interessen gab es bisher eben so wenig wie eine Organisation, die die Interessen von Berufsgruppen vertritt, die im Development-Bereich tätig sind. Die Gründung des Verbandes war ein erster Schritt dahin, diesen Mangel zu beheben. Der Aufbau eines verbandsinternen e-zines (Fachmagazin und Newsletter in einem) ist bereits vorangeschritten, ebenso die Vorbereitungen für den Start eines „Development-Guides“, der es ermöglichen soll, im Laufe der Zeit Defizit 3 zu beheben: Den Mangel an Transparenz in der Branche.
Zum Mangel an Transparenz zählt, daß kaum Informationen zu den gängigen Honoraren im Development-Bereich vorliegen. Hier sollen jährlich aktualisierte Umfragen Abhilfe schaffen, deren Ergebnisse im Newsletter als Honorarspiegel veröffentlicht werden. Vor allem aber: Bisher arbeiten die Dramaturgen, Script Consultants und die anderen Berufsgruppen im Development-Bereich weitgehend im Verborgenen. Während etwa Autoren, Regisseure, Kameraleute und andere Crew-Mitglieder längst als Organisation präsent und auch im Internet vertreten, also sichtbar sind, taucht die Arbeit der Dramaturgen, Lek-toren, Script Consultants im öffentlichen Bewußtsein kaum auf - weder als Credit im Abspann noch in der öffentlichen Wahrnehmung.
Kaum einer weiß, wer was wann wo mit wem macht oder gemacht hat, wer was (anbieten) kann. Das soll sich mit dem Development-Guide ändern und auch mit dem Eintreten des Verbandes dafür, langfristig den an der Stoffentwicklung Beteiligten ebenso einen Credit im Abspann zu sichern wie sie schon lange für die selbstverständlich sind, die an der eigentlichen Produktion beteiligt sind, z.B. die Fahrer.
Hier kommen wir zu Defizit 4: "Der Beruf des Filmdramaturgen ist nicht geschützt", erklärte Dagmar Benke, Vorstandsmitglied des Dramaturgenverbands, in einem Gespräch mit Blickpunkt Film anläßlich der ersten Mitgliederversammlung von VEDRA auf dem Scriptforum 2002 im September 2002 in Berlin. Eine Ausbildung zum Filmdramaturgen gibt es bislang nur an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf in Babelsberg. Ansonsten bleiben nur das Selbststudium und diverse Weiterbildungsangebote.
VEDRA wird sich hier für die Verbesserung der Aus-und Weiterbildungssituation einsetzen, selbst dazu einen Beitrag leisten durch entsprechende Angebote. Durch bessere Transparenz der Leistungen im Development-Bereich (siehe Development-Guide) und Öffentlichkeitsarbeit soll nach außen das Bewußtsein für die Qualität und die Bedeutung von professionellem Development geschärft, durch interne Diskussionen das Bewußtsein für qualitative Standards vorangebracht werden.
Weitere Informationen finden sich im Internet unter: www.dramaturgenverband.org
Dort wird es auch in 2003 ein Online-Archiv mit Beiträge geben, die bisher im verbandsinternen e-zine erschienen sind – allerdings nur für Mitglieder zugänglich. Ebenfalls 2003 wird der development guide online gehen. Dieser wird öffentlich zugänglich sein. Die wichtigsten Informationen, Kontaktadressen, die Satzung sowie eine Beitrittserklärung sind im Internet unter www.dramaturgenverband.org zu finden.
Postanschrift des Verbandes:
Verband der deutschen Film- und Fernsehdramaturgen
c/ o Dagmar Benke
Ansbacher Str. 60
10777 Berlin
Zum Autor: Andreas Grünberg ist Geschäftsführer der Grünberg Film GmbH (www.gruenbergfilm.com) und in seiner Firma tätig als Writing Producer, Autor, Agent und Broker. Er ist Mitglied im Vorstand des Verbandes der deutschen Film- und Fernsehdramaturgen und Mitglied des VDD.